Geschichte spielen mit Playmobil

Ausstellung im Historischen Museum Hannover

Seit September 2018 läuft im historischen Museum in der hannoverschen Altstadt eine Playmobil-Ausstellung - passend zum Museum mit vielen detailgetreuen Figuren und Häusern aus der Geschichte.

Ein Bericht von Angela

Wer Fantasy (also Tolkien) und Bücher (noch mehr Tolkien) liebt, mag in der Regel auch Geschichte. Also ist Angela ins Museum gegangen und bringt für Euch ihre Erlebnisse mit! Schon in der Eingangshalle empfängt die Besucher eine Vitrine, gleich wunderbar passend mit Motiven aus der Fantasy. Hübsche Häuschen und Schlösser, darum herum jede Menge bunte Blumen und Pflanzen, dazwischen viele Feen und geflügelte Pferde. Klar: hier sind Elfen (mit "f") am Werk, keine Elben (mit "b"). Eine riesige Playmobil-Prinzessin weist den Weg in die eigentliche Ausstellung.

Dort eingetroffen, erwarten den Besucher sechs prallgefüllte Vitrinen mit den Themen "Die Stadt im Mittelalter", "Ritter, Burgen, Bauern", "Schloss und Garten im Barock", "Die Stadt um 1900";, "Die Moderne Stadt" und "Märchen, Mythen, Sagenwelten". Da ist wirklich für jeden etwas dabei. Zwischen den Themenwelten stehen weitere Schaukästen mit echten historischen Ausstellungsstücken - quasi als "Qualitätskontrolle", wie gut hat man im Hause Geobra Brandstätter mit Playmobil das Original nachempfunden?

Übrigens: alle gezeigten Figuren gehören dem privaten Sammler Robert Packeiser, der eigentlich an der Wilhelm-Raabe-Schule Kunst und Geschichte unterrichtet. Die Fächerkombination ist vielleicht nicht ganz unschuldig an seiner besonderen Sammelleidenschaft. Packeiser gehört eine der umfangreichsten Sammlungen in Deutschland. Knapp 98% aller in Deutschland erschienenen Playmobilsets besitzt der 45jährige. Respekt! Seine erste Figur bekam er 1976 mit vier Jahren - eine Putzfrau. Er war begeistert, dass sie mit Putzeimer Bürste, Besen und einem Staubsauger alles dabei hatte, genau wie seine Mutter. Die war nämlich ebenfalls Putzfrau.

Bereits 1978 gab es Playmobil-Figuren auf dem Markt, die man mit Stiften selber bemalen und gestalten konnte. In kleinen Sondervitrinen lassen sich einige unbemalte Figuren bewundern. Eine Medusa dagegen wurde aus Modelliermasse geformt. Heute bietet die Technik ganz neue Möglichkeiten: einige Stücke kommen individuell aus dem 3D-Drucker, wie beispielsweise die Zeitmaschine, die H.G. Wells ikonischem Modell nachempfunden ist oder auch eine Guillotine aus der Zeit der französischen Revolution - ein solches Modell wird man im für Kinder ausgelegten Sortiment von Playmobil vermutlich eher nicht finden. Und bei wieder anderen Modellen - z.B. die Village People - wurde mit Airbrush-Technik gearbeitet.

Packeiser kombiniert seine Playmobilwelten aber auch mit anderen Spielzeuglinien, u.a. mit den "Sylvanian Families", die seit 1985 von der japanischen Firma Epoch vertrieben werden, oder den Miniatur-Porzellanservices von Reuter. Manchmal werden Figuren auch komplett neu gestaltet. Das lässt sich am Modell des Großwildjägers gut zeigen. Playmobil hat sich über die Jahre hinweg weiter entwickelt; anhand der Ritter lässt sich gut nachvollziehen, wie immer mehr Details hinzugekommen sind, wie bei der Rüstung oder dem bemalten Schild.

Echtes Hannover-Flair verbreitet das Standbild von Ernst August von Hannover (ganze Generationen haben sich schon "unter'm Schwanz" vor dem Hauptbahnhof getroffen). Und das Modell des Neuen Rathauses wird von den Stadtvätern genau unter die Lupe genommen - fast so wie wir heute die Stadtmodelle im echten Rathaus inspizieren können. Diese beiden Modelle stammen direkt aus Packeisers Werkstatt. Es macht übrigens unglaublich viel Spaß, die unzähligen Details zu entdecken, die in den Dioramen mal versteckt und mal ganz offen zu sehen sind. Das gilt auch die Nachstellungen bekannter Gemälde, z.B. "Bildnis des Kaufmannes Georg Gisze" (Hans Holbein, 1532) oder "Der arme Poet" (Carl Spitzweg, 1839).

Natürlich ist und bleibt Playmobil Spielzeug - und damit man nicht nur alles durchs Vitrinenglas anschauen muss, ist die Ausstellung durch Spieltische unterbrochen, auf denen Playmobilfiguren zum freien Spielen bereit stehen (für Kinder und solche, die - wieder - werden wollen).

Seit Weihnachten ist die Ausstellung um eine Adventskalendergalerie erweitert; vom bekannten "Hannover-Kalender" (der mit Schokolade und Hackebeilchen) bis zum obligatorischen Playmobil-Kalender ist alles dabei. Eine Winterlandschaft mit allem Drum & Dran rundet diese besondere Jahreszeit ab. Das ist besonders schön, weil wir in diesem Jahr auf den Schnee ja leider verzichten mussten.

Die Mittelalter-Vitrine scheint vor lauter Details fast zu platzen: ein Handelsschiff mit gerefften Segeln liegt am Kai vertäut, dahinter stehen Häuser und Werkstätten dicht gedrängt. Hier ist unglaublich viel los: während der Schmied Trinkportale oder Kerzenständer fabriziert, kümmert sich die Bürgersfrau nebst Magd um die Wäsche, nur der Schuster hat gerade frei und steht auf der Straße.

Im Kloster daneben wird nicht nur gebetet und mit einem besonderen Gast philosophiert, sondern auch nach den Sternen geschaut, während Martin Luther vor dem Dom mit seinen 95 Thesen beschäftigt ist. Vor den Tribünen hochgestellter Persönlichkeiten sehen wir verschiedene Ritter mit ihren Pferden. Selbstverständlich trägt jedes Burgfräulein einen Hüten mit den passenden Schleiern und man erahnt schon, wie die Ritter nach vollbrachten Taten die Gunst der Schönen zu gewinnen trachten.

Bei den Mythen und Sagen darf die runde Tafelrunde des König Artus nicht fehlen, ebenso wenig wie das Dornröschenschloss. Über eine Schlossbrücke führt der Rattenfänger von Hameln eine große Schar der Nager. "Ritter, Burgen Bauern" zeigt sowohl Richtfest als auch die Erstürmung einer Burgmauer. Letzteres scheint nicht einfach gewesen zu sein, denn trotz Katapult ist ein Ausfall bewaffneter Rittern ist zu sehen. An anderer Stelle lässt man es lieber gemächlich angehen und spricht den reichlichen Tafelfreuden zu. Mag doch die Burg verteidigen wer will!

Im Barockgarten wird herrschaftlich um die schönen Springbrunnen flaniert. Hier gibt es auch einen Irrgarten wie in den Herrenhäuser Gärten. Das große Schloss ist sehr imposant und gewährt einen tiefen Einblick in die detailreichen Zimmer mit vielen Besuchern.

Um 1900 sind die Häuser und Räume immer noch aufwendig dekoriert und die Figuren entsprechend ihres Standes gekleidet, obwohl in einem Dachgeschoß der "arme Poet" wohnt. Die Hochzeit des Adels ist vorbei und das Bürgertum drängt an die Macht. Dazu passt das große Kaufhaus für Spielwaren mit mehreren Stockwerken.

In der Moderne angekommen, sehen wir Hochhäuser mit bis zu sieben Stockwerken in Vorder- und Rückenansicht. In einer der offenen Rückansichten gibt es im Obergeschoß sogar eine Szene aus "Pulp Fiction" zu sehen, wo die Hauptdarsteller gerade Karten spielen. In einem zweistöckigen Haus wohnt es eine Hippie-Kommune und eine weitere Anspielung auf einen Film: die nackerten Darsteller stehen vor der Wand mit dem Rücken zur Kamera. Und in der Nähe des Bahnhofs ist eine Nana zu sehen - noch eine Liebeserklärung an Hannover - auch wenn das Original eigentlich am Flohmarkt an der Leine steht.

Die Welt von Playmobil ist eine friedliche; und dazu passt die letzte Szene am futuristischen "City-Tower", an dessen Basis die Figuren demonstrieren "Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin". Vermutlich spielen statt dessen alle mit Playmobil. Das wäre doch ein Vision, mit der es sich leben ließe.

Natürlich gibt es noch jede Menge mehr zu sehen und das auch noch bis zum 28. April 2019. Für gerade mal 4,00 Euro (Erwachsene) lassen sich unglaublich viele Details entdecken und ein paar tolle Stunden verbringen. Es ist eine wunderbar liebevoll gestaltete Ausstellung, bei der man auch noch etwas lernen kann. Und sei es das Spielen. Nicht nur mit Playmobil.