Lesetag in Oldenburg

Gemeinsam in Tolkiens Welten eintauchen

Regelmäßige Veranstaltungen entwickeln meist eine ganz eigene Dynamik, manchmal machen sie sich gar selbständig. Der Tolkien Lesetag ist so ein Beispiel, der lief in der Vergangenheit dermaßen rund, dass man schon mal ein erstes Jubiläum übersehen kann.

Ein Bericht von Uli

Fünf Jahre ist es her, dass die Hannohirrim eine Einladung aus dem fernen Nordwesten ereilte: in die Stadtbibliothek Oldenburg sollte es gehen zwecks Veranstaltung eines Tolkien Lesetags. Die Idee dazu war aus dem Stammtisch Bremen gekommen. Wir Landeshauptstädter sollten die Weisen aus Bremeriand zahlenmäßig ein wenig unterstützen - Ehrensache unter gut befreundeten Stammtischen.

Seitdem sind wir jedes Jahr in Oldenburg zu Gast gewesen und der Lesetag ist gewachsen. Die wunderbare Gastfreundschaft der Stadtbibliothek und die wunderbar unkomplizierte Art Vorbereitung hat ihr Übriges dazu getan, dass sich das in der kommenden Zeit auch nicht ändern wird. Und noch immer veranstalten wir den Lesetag gemeinsam mit den Bremern. Neu war in diesem Jahr, das der frisch gegründete Stammtisch Göttingen mit dabei war - und die GÖ-fährten von den Südgrenzen Niedersachsens hatten immerhin eine ordentliche Wegstrecke zurückzulegen.

Hinzu kamen weitere Weggefährten aus der Tolkiengesellschaft, so das am Ende eine erkleckliche Truppe Tolkienbegeisterter für einen äußerst gelungenen Lesetag bereitstanden. Da sind die vielen Gäste in der Bibliothek noch gar nicht mitgerechnet. Hätten wir jetzt noch daran gedacht, das fünfjährige Jubiläum des Lesetags in Oldenburg ausgiebig zu würdigen... aber wir haben eben nicht und werden daher ganz einfach das sechsjährige im kommenden Jahr feiern. Immerhin ist das ein halbes Dutzend und zwölf Dutzend war die Zahl von Gästen, die Mr. Bilbo Beutlin einst auf seine Geburtstagsfeier eingeladen hatte - ein Gros sozusagen - auch wenn nicht wenige der Eingeladenen über diesen doch so gewöhnlich Ausdruck nicht allzu begeistert waren. Aber ich schweife ab.

Was macht so einen Tolkien Lesetag eigentlich so besonders? Sitzen da genau genommen nicht nur einfach Leute (und noch nicht mal professionelle Vorleser) und tragen sich gegenseitig irgendwelche unzusammenhängende Abschnitte aus dem Werk J.R.R. Tolkiens vor? Ja - und nein. Es handelt sich ausnahmslos um Menschen, denen die Geschichten des Oxforder Professors aus den unterschiedlichsten Gründen besonders am Herzen liegen. Und sie lesen sich mit einer Leidenschaft vor, die nur der richtig verstehen kann, dem es ganz ähnlich geht. Literatur ist viel mehr als nur eine Ansammlung von Sätzen, sie ist Geschichte, Botschaft und Lebensgefühl. Indem man sie in der Gemeinschaft laut vorträgt, wertet man sie noch weiter auf, denn jetzt lässt sie sich zusammen erleben. Vorgelesene Literatur ist einfacher aufzunehmen als selbst gelesene. Man muss sich nicht auf die einzelnen Worte und ihre Aussprache konzentrieren, sondern kann die Geschichte als Ganzes auf sich wirken lassen. Nebenbei bemerkt macht aber dem einen oder anderen auch das Vorlesen genau so viel Freude wie das Zuhören. Mir zum Beispiel.

Abgerundet wird dieses wunderbare Erlebnis dadurch, dass da lauter andere Menschen sitzen, die Tolkiens Erzählungen ebenso schätzen wie man selbst. Das ist ein wunderbares Erlebnis, vor allem in einer Zeit, in der auf einmal vieles in Frage gestellt ist, und eigentlich feststehende Dinge sich als gar nicht so sicher herausstellen - oder viele lieber die schnelle aber belanglose Unterhaltung auf dem Smartphone sucht anstatt sich auf eine komplexe Fantasywelt einzulassen. Vor diesem Hintergrund ist es beruhigend, dass wir erst fünf Mal in der Stadtbibliothek zu Gast waren und gar nicht mehr so genau daran gedacht haben - irgendwann Ende März in aller Herrgottsfrühe nach Oldenburg zu fahren, gehört einfach dazu. Und das wird auch in den kommenden Jahren so sein.