Herr-der-Ringe-Marathon - Eine Nachlese

Von Nicole Dupont

Im Jahr 2002/2003 fand in Hannover ein außergewöhnliches Projekt statt: eine Marathonlesung des Herrn der Ringe. Die beiden Ensemblemitglieder des Schauspielhauses Hannover Fabian Gerhardt und Matthias Neukirch lasen über zwölf Monate hinweg in insgesamt neun Veranstaltungen des kompletten Herrn der Ringe, ohne eine einzige Seite ausgelassen zu haben. Die Veranstaltung wurde sehr gut angenommen: Bei 80 verfügbaren Karten zu einem Preis von 6 Euro waren alle Lesungen ausverkauft.

Als Veranstaltungsort fand man in der Cumberlandschen Galerie einen hervorragend geeigneten Rahmen: Das historische und unter Denkmalschutz stehenden Treppenhause erinnert mit seinen Säulen und Ornamenten ein weinig an die Beschreibungen Tolkiens von Bruchtal - ein Ort, an dem das Vortragen von Geschichten Tradition hat. Die Lesungen begannen entweder freitags oder samstags immer zur besten Sendezeit um viertel nach acht am Abend. Nach einer kurzen Zusammenfassung (für alle Quereinsteiger und Neulinge unter den Zuhörern) lasen die beiden Protagonisten abwechselnd jeweils 20 Minuten aus unserem Lieblingsbuch.

Nach 40 Minuten gab es eine ganz kurze Pause, in der das Publikum sich mit Getränken versorgen konnte... und "Reise nach Mittelerde" spielte: Denn statt auf den ungepolsterten Holzstühlen im Zuschauerraum konnten wir es uns nun auf Sofas, Sesseln und liegen gemütlich machen. Und damit jeder einmal in den Genuss dieser Bequemlichkeiten kam, wurden die Plätze selbstverständlich getauscht. Eine sehr gute Idee, da man wenigstens kurzzeitig wieder in Bewegung kam! Gegen Mitternacht wurde eine halbstündige Pause eingelegt - Gelegenheit für alle Hobbits unter den Zuschauern, in der Caféteria des Schauspielhauses ein günstiges warmes Mahl einzunehmen.

Meist wurde es nach dieser langen Pause auch schon merklich leerer im Zuschauerraum. Das Ende einer Lesung variierte aber je nach Durchhaltevermögen von Lesenden und Zuschauern. Im Juli schafften wir es einmal sogar bis zum Morgengrauen um halb fünf!

Zur Abschiedsveranstaltung kamen einige Zuschauer sowie die beiden Vorleser selber in Gewandung. So waren neben Merry und Pippin auch einige Orks, Ents, Hobbits und Elben anwesend.

Da Fabian Gerhardt und Matthias Neukirch uns über ein ganzes Jahr mit ihrer Lesekunst erfreut hatten (inklusive äußerst erheiternder Versprecher vorzugsweise zu späterer Stunde), durften zuletzt auch die Zuschauer agieren - was bei zwei Orks dank ihrer Reiszähne außerordentlich undeutlich war und daher zu allgemeinen Lachattacken führte. Im Anschluss gab es eine anständige Abschlussparty, bei der man Orks und Ents ganz einträchtig miteinander tanzen sehen konnte.

Mein Fazit: Diese Veranstaltungsreihe war ein außergewöhnliches Projekt des Schauspielhauses Hannover und hat mit den beiden Lesenden wirklich hervorragende Protagonisten entdeckt. Einziger Wermutstropfen war, dass die Neuübersetzung von Krege gelesen wurde (Anmerkung der Flammifer-Redaktion: ... wobei das sicherlich an der Rechtevergabe durch Klett-Cotta liegt!).

Es wäre zu wünschen, dass das Beispiel Hannover Schule macht und auch in anderen Städten solche oder ähnliche Projekte verwirklicht würden. Ein Erlebnis ist es für jeden Tolkienfan allemal. Und vielleicht können wir als DTGler etwas dafür tun...